Die Kunst sich aus dem Fenster zu lehnen

Ein Interview mit Jasmin Mickein

Foto: Kunsthalle Bremen
Foto: Kunsthalle Bremen

Schon 2015 forderte Christoph Grunenberg, seit 2011 Direktor der Kunsthalle Bremen, “mehr Mut” in der lokalen Kulturlandschaft. In der Arbeit von Jasmin Mickein, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Kunsthalle Bremen, findet dieser Aufruf eine direkte Umsetzung. Im Interview erklärt sie, wie sich die Kunsthalle einem jungen Publikum widmet und warum öffentliche oder kulturelle Institutionen nicht krampfhaft an ihrem Image festhalten sollten.

Alte Kunst, junges Publikum: Inwiefern ist es schwierig diese Gegensätze zusammen zu bringen?
Auf den ersten Blick hat das Museum tatsächlich nichts mit der Realität und dem Alltag von Jugendlichen zu tun: Im Museum ist es eher still, es hat keinen Unterhaltungscharakter wie Katzenvideos. Die Materie muss sich erarbeitet werden und ist nicht immer sofort verständlich wie knapp formulierte Twitter-Nachrichten. Erst auf den zweiten Blick finden sich im Museum Themen, die auch junge Menschen beschäftigen. Diese bereiten wir durch entsprechende Vermittlungsansätze auf. Durch Kooperationen schaffen wir den ersten Kontakt.
Grundsätzlich versuchen wir das Museum mehr als Mittel zum Zweck zu etablieren. Freunde treffen kann man zum Beispiel genauso gut im Museum wie im Park, einer Bar oder im Kino.

Welche Strategien verfolgt Ihr, um das zu erreichen?
Wir sind in sozialen Netzwerken wie Instagram, Youtube, Facebook und Twitter vertreten. Wir bieten verschiedene Veranstaltungsformate für Jugendliche (Kunstköpfe) und Studenten (z.B. Kunsthalle Lounge, Die Jungen). Wir sind im engen Kontakt mit Kitas, Schulen und Universitäten, die regelmäßig mit Gruppen Führungen bei uns im Haus machen. Und für unter 18-Jährige bieten wir Dank der Sparkasse Bremen seit diesem Jahr kostenlosen Eintritt.

Du hast bereits auf Social Media verwiesen. Wie viele Ressourcen verlangt die Pflege?
Das kommt auf die Umstände an, ich würde aber sagen zwischen 20 und 40 Prozent unseres Arbeitstages. Posts bei Instagram planen wir nicht so streng vor wie zum Beispiel bei Facebook, weil wir auf Instagram versuchen Einblicke außerhalb der Regel zu geben. Das ist häufig eine Herausforderung, weil meine Abteilung auch nicht immer mitbekommt, was alles Spannendes hinter den Kulissen bei uns passiert. Als Social-Media-Verantwortliche ist die Holschuld diesbezüglich hoch und aufwendig.

Woran messt Ihr Eure Erfolge?
Erfolg messen wir natürlich zunächst an Followerzahlen und Interaktionen. Follower bekommen wir bei neuen Plattformen wie Instagram deutlich schneller als bei Facebook, wo wir seit mehreren Jahren präsent sind. Die Interaktion kann allerdings noch gesteigert werden. Ich fürchte die Interaktion ist bisher schüchtern, da das Museum für Teenager keine so emotionale Marke ist und zum Dialog einlädt, wie zum Beispiel ein Modehersteller oder eine TV-Sendung.

Jasmin Mickein. Foto: Kunsthalle Bremen
Jasmin Mickein. Foto: Kunsthalle Bremen

Ihr habt den Rapper Deen Da Don sogar ein Video bei euch drehen lassen. Was erhofft ihr euch davon?
Deen Da Don kam direkt auf uns zu und es war klar, dass wir den Dreh möglich machen wollen. Die meisten Jugendlichen, die sich ein solches Musikvideo anschauen, würden vermutlich nicht in die Kunsthalle gehen. Aber in dem Video bekommen sie einen Eindruck, wie es bei uns aussieht und leiten hoffentlich auch ab, dass sie keine Berührungsängste haben müssen.

Inwiefern ist das die Richtung, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für ein junges Publikum einschlagen sollte?
Jugendliche kann man mit schönen Gemälden – wenn es nicht gerade die Mona Lisa ist – nicht locken. Das heißt, das Museum muss über Hilfsmittel gehen, welche die Aufmerksamkeit von ihnen erreicht, um auf sich hinzuweisen. Das sind dann nun mal prominente Personen, Events, Humor und digitale Kanäle.

Bietet Instagram Deiner Meinung nach den Anreiz Euch zu besuchen oder verleitet es dazu, Kunst bloß am Bildschirm zu konsumieren?
Ich glaube definitiv, dass Instagram dazu motiviert, selbst bestimmte Locations zu besuchen, dort Fotos zu machen und die eigene Perspektive oder die eigene Person darzustellen. Es kann aber natürlich dauern, bis ein Foto-Post jemanden dazu verleitet tatsächlich ins Museum zu gehen. Trotzdem sind die sozialen Medien für uns wichtig, um mit dem verstaubten Image von Museen sukzessiv aufzuräumen.

Wie würdest Du eine zeitgemäße Haltung zu Social Media als Unternehmen beschreiben?
Ich finde Institutionen müssen den Mut haben, sich aus dem Fenster zu lehnen und dabei nicht zu verkrampft an eigenen Themen festhalten. Stattdessen muss ein Bezug zur Lebensrealität von jungen Menschen hergestellt werden. Wenn diese Realität aus Selfies, Promis und Partys besteht, muss man bis zu einem gewissen Grad versuchen den Bogen in diese Richtung zu schlagen, statt sich zu versperren.

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